Newsletter Nr 6
des Büros für nachhaltige Lebensweise
vom 29. Juli 2004
Die Chemieverordnung kommt voran. Die Chemieindustrie hat sich lange gegen
die Umsetzung der EU-Verordnung in Deutschland gesperrt.
Inhalt:
1. Wirtschaftswachstum ist schädlich
2. Indigene Völker
1. Wirtschaftswachstum ist schädlich
Früher sagte man, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Das heißt also, dass Wachstum begrenzt ist. Auch der Club of Rome hat
dies 1972 in dem Buch „Die Grenzen des Wachstums“ festgestellt. Es ist aber
nichts passiert. Man hat zwar schöne Wörter wie Nullwachstum und
Minuswachstum oder auch qualitatives Wachstum erfunden, aber Wachstum gilt
in der Wirtschaft immer noch als heilige Kuh. Man hat dem Bericht des Club
of Rome oft vorgeworfen, dass das Wachstum gar nicht durch die Resourcen
begrenz worden sei, weil die Resourcen besser genutzt werden. Aber der Bericht
schreibt, dass es auch ohne eine Begrenzung der Resourcen Grenzen des Wachstums
gibt. Es gibt dann nämlich gegenläufige Prozesse innerhalb der
Wirtschaft, die zu einem Kollaps führen. Heute weiß man, dass
es auch z.B. die Klimagase als Grenzen des Erdsystems gibt. Die Wirtschaft
aber will aus Geld immer mehr Geld machen. Das ist eine Grundlage des Kapitalismus.
Deshalb denke ich auch, ist der Kapitalismus nicht als Wirtschaftsform für
eine nachhaltige Entwicklung geeignet. Zudem kommt, dass durch den Zins im
Geldsystem die Wirtschaft immer gezwungen sein wird zu wachsen. Das Wachstum
des Resourcenverbrauchs hat sich in den letzten Jahren zwar abgekoppelt vom
Wirtschaftswachstum, aber auch so gibt es gegenläufige Tendenzen im
Wirtschaftssystem. So wächst das Geldvermögen exponentiell durch
den Zinseszins, aber das Bruttosozialprodukt wächst nur linear. Also
muß immer mehr aus dem Produktionsfaktor Arbeit herausgeholt werden.
Deshalb sollen auch die Sozialsystem abgebaut werden und die Intensität
der Arbeit wächst immer weiter. Schon jetzt können 55jährige
nicht mehr mit der Arbeitsbelastung mithalten und sehr viele Lohnabhängige
und Manager sind krank. Durch die Konkurrenz im System kann aber keiner einen
Gang zurückschalten, weil er sonst von der Konkurrenz in den Ruin getrieben
wird. Die Folgen für die Umwelt sind nicht mehr zu ignorieren. Uns droht
der Klimakollaps. Auch hat man die Arbeit immer mehr in Sonderwirtschaftszonen
in der dritten Welt verlagert, wo für Hungerlöhne Produkte für
die Märkte in den Industrieländern gefertigt werden. Dadurch ist
auch hier die Lohnhöhe unter Druck geraten. Es boomen die Billigjobs.
Unsere Sozialsysteme geraten immer mehr unter Druck, weil die Arbeiter früher
in Rente gehen und weil es immer mehr Arbeitslosigkeit gibt. Aber man hält
immer noch am Wachstum fest. Obwohl auch Wachstum durch Autounfälle
und Kraftwerksfilter sowie Gesundheitskosten gesteigert wird, die aber eigentlich
nicht produktiv sind. Es gibt seit Jahren alternative Wohlstandsindexe. Aber
sie werden nicht herangezogen, weil sie gezeigt haben, dass sich unser Wohlstand
gar nicht mehr vermehrt. Wir leben seit Jahren vom Naturkapital und verbrauchen
und zerstören es. Auch das Sozialkapital der Gesellschaft wird immer
mehr aufgebraucht. Aber alle diese Anzeichen haben die Politiker nicht davon
abgehalten, weiter nach Wachstum der Wirtschaft zu verlangen. Jetzt sind
sogar die Grünen wieder zu diesem Mythos zurückgekehrt und verlangen
qualitatives Wachstum. Sie haben aber nicht weiter definiert, was qualitatives
Wachstum sein soll. Ich finde das ist ein Rückschritt und wird ins Verderben
führen. Dem Fetisch Wachstum wird unser Klima, unsere Umwelt und
die Zukunft der noch nicht geborenen Generationen geopfert. Systemanalytiker
wie z.B. der verstorbene Frederik Vester sagen, dass wirtschaftliches Wachstum
kein Kriterium für den Zustand eines Systems ist. Er sagt, dass einzig
und allein die Systemstabilität zählt und das diese auch ohne Wirtschaftswachstum
zu erreichen ist. Die Politiker haben sogar in unserer Verfassung in den 60er
Jahren angemessenes Wirtschaftswachstum aufgenommen. Das war allerdings vor
„Die Grenzen des Wachstums“. Das setzt dem Irrsinn die Krone auf. Der Zwang
zu wachsen muß weg. Es kann vielleicht für arme Länder richtig
sein noch zu wachsen. Aber irgendwann hat eine Wirtschaft ihre optimale Größe
erreicht. Wenn sie darüber hinaus wächst, kommt es zu negativen
Effekten. Wir kommen überall an die Grenzen des Systems Erde. Wenn China
und Indien immer mehr Autos bauen, wird auch hier die Grenze der tragbaren
Zahl von Autos auf der Erde bald überschritten. Vielleicht ist sie schon
überschritten. Wenn alle Menschen auf der Erde so leben wollten wie
die US-Amerikaner, dann bräuchten wir die Resourcen und Abfallhalden
von 5 Erdplaneten. Aber es wird den Menschen in Deutschland von der offiziellen
Politik immer noch nicht geraten, den Konsum einzuschränken oder nachhaltiger
zu konsumieren. Nein, man versucht ihn noch anzuregen, um Wirtschaftswachstum
zu erreichen. Auch auf dem Warenmarkt wird nicht versucht immer langlebigere
Waren herzustellen. Nein, es wird auf Ex- und Hopp gesetzt. Viele Artikel
sind so billig geworden, dass eine Reparatur nicht mehr lohnt. Sie werden
weggeworfen, wenn sich die Mode ändert, oder wie bei Computern, wenn
nach wenigen Jahren ein viel leistungsfähigeres Modell zur Verfügung
steht.
2. Indigene Völker
Überall auf der Welt leben indigene Völker.
Es gibt ca 300 Millionen Menschen, die als Indigene bezeichnet werden. Die
größte Gruppe sind die Adivasi in Indien mit 70 Millionen Menschen.
Die Adivasi sind allerdings in verschiedene Völker aufgeteilt. Adivasi
ist nur eine Sammelbezeichnung. Fast überall werden die Rechte der indigenen
Völker mißachtet. Die indigenen Völker kennen kein individuelles
Landeigentum, sondern nur ein kollektives. So werden sie in den letzten Jahren
immer mehr ihres Landes beraubt, weil dort Bodenschätze ausgebeutet
werden sollen. Es gibt zwar die Konvention 169 der ILO (International Labor
Organisation), aber die haben erst 11 Staaten unterzeichnet. Darin werden
die Rechte der indigenen Völker anerkannt.
Die indigenen Völker leben seit Jahrtausenden schon nachhaltig. Sie
haben ihre ganze Kultur und ihre Religion auf die Natur ausgerichtet. Sie
betrachten sich nicht als entfremdet von der Natur, sondern als ein Teil
von ihr. Die südamerikanischen Indianer sagen, dass sie im Gegensatz
zu den Weißen keine Blumen pflücken. Sie nutzen Pflanzen nur als
Nahrung und Medizin und entschuldigen sich bei den Pflanzen, dass sie sie
benutzen müssen. Viele dieser Indianer betrachten Bäume als ihre
Freunde und begrüßen sie, indem sie sie streicheln. Die Indianer
Nordamerikas bezeichnen die Insekten als ihre Kleinen Brüder. Sie entschuldigen
sich bei den Tieren, die sie beim Jagen töten. Dafür gibt es spezielle
Rituale. Auch vor der Jagd werden Rituale abgehalten. Die Religion der indigenen
Völker wird auch als Animismus bezeichnet, weil sie glauben, das alles
um sie herum, wie Steine, Flüsse, Berge, Pflanzen und Tiere beseelt
sind.
Die Kultur und Ökonomie der indigenen Völker ist vollkommen von
ihrem Land abhängig. Nimmt man ihnen das Land, geht die Kultur zu Grunde.
Den Sioux-Indianern war ihr Land so wichtig, dass sie auf mehrere Millionen
Dollar Entschädigung verzichteten und statt dessen das Land wieder haben
wollten. Die Ökonomie der indigenen Völker ist eine Subsistenz-Wirtschaft,
in der auch Überschüsse erzeugt werden. Diese werden allerdings
an ärmere Stammesmitglieder verschenkt. Man schenkt ohne Bedingungen
und Hintergedanken. Wenn der Weiße Mann schenkt, dann will er damit
auch etwas erreichen.
Die Kulturen und Sprachen der indigenen Völker sind sehr verschieden.
Selbst im Amazonasgebiet gibt es noch über 200 verschiedene Kulturen
der Indianer. Die meisten Waldvölker betreiben eine Wanderfeldwirtschaft,
die den Wald nur wenig schädigt und ihn sich erholen läßt,
wenn man weiter zieht. So sind vielleicht die Urwälder auch schon Kulturwälder,
die durch die indigenen Völker geschaffen wurden. Die indigenen Völker
kennen auch meist kein Geld, sondern haben eine Tauschwirtschaft. Die indigenen
Völker kennen viele Nahrungspflanzen, die sie selbst züchten. Auch
kennen sie viele Pflanzen, die sie als Medizin verwenden. Dieses Wissen wollen
die Pharmakonzerne nutzen. Manche bezeichnen das als Biopiraterie, weil die
indigenen Völker meist nicht entsprechend vergütet werden für
ihr Wissen.
Ich will die indigenen Völker nicht zu Ökoheiligen machen, denn
es gibt einige, die sich genauso verhalten wie wir, wenn sie es können.
Viele dieser Völker wollen aber ihren Lebensstil beibehalten. Durch
Verhütung, Abtreibung, manchmal Kindstötung und Kriege haben die
meisten indigenen Völker ihre Bevölkerungszahl über lange
Zeit stabil gehalten. Auch davon könnten wir lernen.